Der Kaffee für den täglichen Aufstand
Neue Preise und Importe
Zum Selbstverständnis von Café Libertad Kollektiv gehört, einen möglichst guten Preis für die Arbeit von Kleinbäuer*innen und Kooperativen zu bezahlen. Gleichzeitig sind uns bezahlbare Preise für Verbraucher*innen wichtig: Solidarisch gehandelter Kaffee und Espresso soll kein Luxusgut für Besserverdiener, sondern für möglichst viele Menschen zugänglich sein.
Dennoch steigen in diesem Jahr die Verkaufspreise um durchschnittlich 3%, um gestiegene Import- und Finanzierungskosten aufgrund des durch die Europäische Zentralbank künstlich niedrig gehaltenen Eurokurses auszugleichen, und um bessere Rohkaffeepreise an Kleinbäuer*innen und widerständige Kooperativen weiterzugeben.
Aufgrund dieser Situation liegt der neue Verkaufspreis je nach Sorte zwischen 3,70 und 4,25 Euro bei 250g Espresso und zwischen 7,20 und 7,75 Euro für 500g Röstkaffee.
Um diese im Vergleich zur Kursentwicklung moderaten Preiserhöhungen möglich zu machen, hoffen wir auf ein insgesamt ansteigendes Interesse an solidarisch gehandeltem Kaffee und auf euere Unterstützung bei der Vermittlung der Gründe, weshalb solidarisch gehandelter Kaffee kostet, was er kostet und welche politische Idee und Praxis damit verbunden ist.
Der Wertverlust des Euro als Folge einer postkolonialen Wirtschaftspolitik
Der Euro hat gegenüber dem Dollar im Verlauf des Jahres zeitweise über 25% an Wert verloren. Der Abwertungs- und Inflationskurs der EZB folgt dabei einer postkolonialen Logik: Exporte sollen gefördert werden und Staatsschulden sich durch eine Zunahme der Inflation in Luft auflösen. Dies bedeutet eine gewaltsame Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums von unten nach oben.
Höhere Verbraucherpreise treffen dabei vor allem ärmere Bevölkerungsschichten, die zudem von steigenden Mieten betroffen sind. Während niedrige Zinsen vor allem Menschen zugute kommen, die bereits Geld besitzen und sich z.B. Immobilien kaufen, was die Marktsituation zusätzlich verschärft. Eine Abwärtsspirale, die sich auf alle auswirkt, während durch Brot und Spiele, Olympiabewerbungen und andere Großveranstaltungen die Bevölkerung bei Laune gehalten werden soll.
Staatsschulden aus Bankenrettungsprogrammen und geplatzten Finanzspekulationen werden von der Breite der Bevölkerung getilgt, das Leben im Alltag wird teurer, während die Kurse und Gewinne an den Börsen explodieren und neue Spekulationsblasen staatlich subventioniert werden. Nicht nur innerhalb Europas, sondern im globalen Maßstab wird nach der Vorgabe „Reiche werden reicher und Arme werden ärmer“ gehandelt.
Umso wichtiger ist die Idee von Café Libertad Kollektiv: Die Unterstützung oppositioneller politischer Bewegungen und der Aufbau solidarischer Handelsbeziehungen und politischer Kooperativen als widerständige Basis gegen Austeritätsprogramme und Ausbeutungsverhältnisse.
Bessere Preise für zapatistische und widerständige Kooperativen
Trotz gestiegener Kosten durch den sinkenden Eurokurs und trotz des zwischenzeitlich fallenden Weltmarktpreises für Rohkaffee hat Café Libertad Kollektiv die Einkaufspreise nicht gesenkt, um Währungsschwankungen auszugleichen, sondern z.B. die Einkaufspreise für zapatistischen Rohkaffee um 5% auf 88 mexikanische Peso pro kg erhöht. Zusätzlich wurden Fördergelder bereitgestellt, um die Arbeit der Kooperativen zu unterstützen.
In Mexiko leiden derzeit viele Kooperativen unter der Roja, einer Pilzerkrankung, welche zuerst die Blätter von Kaffeepflanzen befällt und schließlich zum völligen Verlust der Ernteerträge führt. Zwei von drei zapatistischen Kaffeekooperativen war es in diesem Jahr deshalb nicht möglich, Rohkaffee zu exportieren. Hierzu tragen auch neue repressive Gesetzgebungen des mexikanischen Staates bei, mit denen die Marktmacht von großen Kaffeekonzernen gestärkt und der Selbstvertrieb über unabhängige Kooperativen erschwert wird.
Die Rahmenbedingungen im Welthandel werden wie vor hundert Jahren vor allem von und für große Konzerne geschaffen. Sowohl autoritäre Regierungen als auch Konzerne sind besorgt, wenn sich in widerständigen Regionen der Aufbau selbstorganisierter Produktions- und Vertriebsstrukturen entwickelt. Es fällt Konzernen dann schwerer, die Preise zu diktieren und auch der lokale Widerstand gegen staatliche Politik ist oftmals dort stärker, wo basisdemokratische Strukturen bereits vor Ort verankert sind.
Kooperativen und selbstorganisierte Kleinbäuer*innen haben dabei nicht nur mit Ernteverlusten und oftmals einer repressiven staatlichen Politik zu kämpfen, sondern auch mit den negativen Auswirkungen des Handels von Lebensmitteln als Papier an den Börsen und der Niedrigpreispolitik durch Supermarktketten und Konzerne. Mit Supermarkt- und sogenanntem Blutkaffee können und wollen wir nicht konkurrieren. Gute Preise für Kleinbäuer*innen, Fördergelder und ein kostendeckender Vertrieb ohne privatwirtschaftliche Gewinne sind uns ebenso wichtig wie eine hohe Kaffee-Qualität und nachhaltige Verarbeitung.
Gestiegene Qualität durch Vernetzung und neue Kooperativen
Für Café Libertad und andere Gruppen aus dem europäischen Solidaritätsnetzwerk resultiert aus den Ernteverlusten in diesem Jahr ein Rückgang der Importe von zapatistischem Kaffee um voraussichtlich 70-85 Prozent. Café Libertad Kollektiv arbeitet deshalb mit weiteren oppositionellen Kooperativen aus Mexiko und Kolumbien zusammen, um den Filterkaffee Libertad und den Bio-Espresso Durito und Rebeldia als widerständige Arabica-Mischung zu rösten.
Um den klassischen, erdigen Geschmack des zapatistischen Kaffees zu erhalten, importieren wir, wie andere Gruppen aus dem Solidaritätsnetzwerk, zusätzlich von der pro-zapatistischen Kaffee-Kooperative Michiza aus der an Chiapas angrenzenden Region Oaxaca.
Zusätzlich haben wir in diesem Jahr erstmals 560 Sack Rohkaffee von der kolumbianischen Kooperative Juan Tama importiert. Das kolumbianische Hochland zählt zu den besten Anbauregionen der Welt. Mit dem aromatischen Rohkaffee der Kooperative Juan Tama ist in Verbindung mit der gewohnt erdigen Note des südmexikanischen Hochlandes ein phantastischer Kaffee entstanden, der uns begeistert.
Wir sind froh, dass wir durch die langfristige angelegte Zusammenarbeit mit diesen Kooperativen nicht nur den solidarischen Handel mit den zapatistischen Kooperativen trotz vorübergehend sinkender Ernteerträge aufrechterhalten können, sondern auch die Qualität unserer Sorten weiterentwickeln konnten. Zusammen mit dem im letzten Jahr verbesserten Trommelröstverfahren, einer langsameren und schonenderen Röstkurve und leichten Anpassungen im Röstgrad erhalten wir sehr positive Rückmeldungen.
Auch die Ernte der von Bürgerkriegsflüchtlingen gegründeten Finca Sonador in Costa Rica hat in diesem Jahr eine außergewöhnlich hohe Qualität. Der Rohkaffee der Frauenkooperative Aprolma in Honduras liefert als Grundlage für den queer-feministischen Bio-Kaffee und -Espresso Las Chonas eine schokoladige, fruchtige Note, die auch bei der dunklen Röstung noch schön durchscheint.
Solidarität muss praktisch werden
Wir freuen uns über weiteres Feedback, um Kaffee für den täglichen Aufstand solidarisch weiterzuentwickeln. Denn solidarischer Handel und die Idee der Genossenschaft Café Libertad Kollektiv eG funktioniert auch in Zukunft nur als gemeinsame Vernetzung und Schnittstelle von Produktion, Vertrieb und Verbraucher*innen.
Ohne Solidaritätsarbeit und ehrenamtliches Engagement, ohne sich zum Teil des Ganzen zu machen, ist ein Direktvertrieb als Alternative gegen den kapitalistischen Welthandel und die direkte Unterstützung aufständischer, indigener Gemeinden und widerständiger Basisbewegungen nicht umsetzbar. Deshalb hoffen wir auch weiterhin auf euere Unterstützung und Mitarbeit beim Vertrieb, der Durchführung von Solidaritätsständen oder indem ihr einfach von der Idee von Café Libertad weitererzählt.