Sozial-ökologische Kämpfe, Repression und Solidarität

Interview zum Widerstand gegen ein Großprojekt auf den Philippinen

Globale Koordinaten lokaler Kämpfe

Der Ausbau und die Nutzung erneuerbarer Energien gelten als vermeintlich progressiver Ausweg aus den Krisen der Gegenwart. Sie sollen Versorgungslücken schließen und den menschengemachten Klimawandel aufhalten. Manchen träumen sogar von einem „Green New Deal“, der in eine ökologische und sozial gerechte Zukunft führt.

Jedoch auch unter grünen Vorzeichen entfalten sich destruktive Dynamiken, wo Wachstumsideologien, Interessenspolitik und Profitstreben aufeinandertreffen. Im Namen einer vermeintlich nachhaltigen Energieproduktion und zur Gewinnung benötigter Rohstoffe werden gerade in Ländern des globalen Südens ganze Landstriche durch kapitalistische Landnahme und den Raubbau an natürlichen Ressourcen verwüstest. Die negativen Folgen tragen die Umwelt und die Menschen vor allem in den Regionen, kolonial gewachsene Ungleichheits- und Abhängigkeitsverhältnisse reproduzieren sich.

Auf sich entwickelnden Protest und Widerstand wird häufig mit massiver Repression reagiert. Beispielsweise in Mexiko sind es vielfach indigene Bevölkerungsgruppen, die gegen entsprechende Vorhaben und für ihre Autonomie und Selbstbestimmung kämpfen. Sie sehen sich mit massiver Gewalt bis hin zum Verschwinden-lassen und der Ermordung von Aktivist:innen konfrontiert.

Indigene Gemeinden sind oft am direktesten von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen, stehen bei den Kämpfen zur Reduzierung seiner Folgen in vorderster Linie und bringen viele Erfahrungen ein, die stärker wahrgenommen werden sollten.

Von Beginn an hat Café Libertad indigene Gemeinden und soziale Protestbewegungen in ihrem Widerstand und ihrem Aufbegehren unterstützt. Dabei geht es um eine globale Perspektive der Solidarität. Dafür ist es wichtig, Verbindungslinien quer zu den Geographien der Kontinente und den sozialen Kämpfen der Regionen zu ziehen.

Das Ahunan Hydropower Dam Projekt auf den Philippinen

Konflikte um Energie und Ressourcen finden sich auch auf den Philippinen. Zur Überwindung einer anhaltenden Energiekrise setzt die Regierung neben der Gewinnung von Erdgas und der Einfuhr von Flüssiggas auf als nachhaltig deklarierte Großprojekte. Dazu gehört auch der Ahunan Pumped-Storage Hydropower Dam mit einem Investitionsvolumen von 1,1 Milliarden US-Dollar und einer geplanten Leistung von 1.400 MW.

Beim Ahunan-Projekt handelt sich um eine Kombination aus Wasserpumpkraftwerk und Staudamm, die am Ostufer der Laguna de Bay und in den dahinter liegenden Bergen der Gemeinde Pakil entstehen soll. Auftragnehmerin ist die Prime Infrastructure Capital Corporation, hinter der mit dem Milliardär Enrique Razon einer der reichsten Männer der Philippinen steht. Fast 300 Hektar Regenwald sind bedroht und weitere negative Auswirkungen auf die gesamte Region und für die dort lebenden Menschen sind zu befürchten.

In der Bevölkerung regt sich Widerstand und verschiedene Gruppen haben sich zu einer Kampagne zusammengeschlossen. So konnte bereits verhindert werden, dass die Genehmigung, wie von der Administration beabsichtigt, einfach so durchgewunken wurde. Dies ist ein erster Schritt, um das Projekt in seiner geplanten Form zu verhindern. Doch der Weg ist noch weit, gerade auch, um Raum für wirklich nachhaltige Perspektiven auf ein ganz anderes Ganzes zu entwickeln.

Wir sprachen mit einem Aktivisten aus Manila über das Projekt und den Widerstand dagegen. Er berichtet über die politische Situation und das repressive Klima auf den Philippinen, beschreibt die Möglichkeiten und Grenzen dortiger sozialer Protestbewegung und erörtert mit uns die Fragen transnationaler Solidarität und der Verknüpfung von Kämpfen.

Interview mit einem Aktivisten der Kampagne gegen das Ahunan-Projekt

Café Libertad Kollektiv (CLK): Vielen Dank, dass Du für dieses Interview zur Verfügung stehst und uns die Gelegenheit gibst, an Deinem Wissen, Deinen Erfahrungen und Perspektiven teilzuhaben. Würdest Du Dich bitte zunächst einmal vorstellen?

»Mein Name ist C., ich bin Gründungsmitglied des Etniko Bandido Infoshop and Community Resource Center, Initiator des Defend Ecology Network und Teil eines losen Netzwerks namens Local Autonomous Network.«

CLK: Kannst du kurz zusammenfassen, wer an der Kampagne gegen den Staudamm teilnimmt und welche Aktivitäten bereits stattgefunden haben?

»Die wichtigste Akteurin der Kampagne ist die Gemeinde MANAPAK (Mamamayang Nagmamahal sa Pakil), eine Gruppe von Ältesten aus der Stadt Pakil, gemeinsam mit ihrem Unterstützungsnetzwerk, z.B. unserem Defend Ecology Network, dem Center for Environmental Concern, der philippinischen Bewegung für Klimagerechtigkeit und einigen kleinen Kollektiven von Jugendlichen in der Region Laguna.

Im vergangenen Jahr 2022 bestanden die meisten unserer Aktivitäten aus Briefen an verschiedene Regierungsbehörden, Dialoge mit Sprecher*innen der Gemeinden, Treffen mit Direktor*innen und Sekretär*innen des Ministeriums für Umwelt und natürliche Ressourcen, Unterschriftenkampagnen, sowie Aktionen der Gemeinde wie das Projekt ‚ Really Really Free Market Against Ahunan Hydropower project ‘, das Zusammenbringen unterschiedlicher Jugendlicher, Künstler*innen und Musiker*innen bei Musikfestivals, Filmvorführungen und Kampagnen zum Informationsaustausch, Medienworkshops und die Produktion von Dokumentarfilmen, Transparenten, Aufrufen, Flugblättern und Social Media-Auftritten.«

Kritik am Projekt und Ziele der Kampagne

CLK: Das Unternehmen und die Politiker sprechen in Bezug auf das Wasserkraftwerk von „sauberer Energie“. Kannst du beschreiben, was davon wahr ist bzw. an welchen Stellen hier Greenwashing betrieben wird?

»Nach Angaben des Betreibers leitet das Pumpspeicherkraftwerk das Wasser der Laguna de Bay durch die unterirdischen Wasserwege in ein künstliches oberirdisches Becken. Alle Komponenten sind unterirdisch angelegt, was zu einer minimalen Umweltbelastung führt. Außerdem wird es vom Energieministerium (DOE) als eine der sauberen Energiequellen auf den Philippinen bezeichnet. [1]

Für uns ist das jedoch nicht zutreffend. Wenn das Projekt durchgedrückt wird, wird es massive ökologische Auswirkungen haben, unter denen die Gemeinden in der Umgebung am meisten leiden werden.

  • # Das Projektgebiet ist nach Angaben von Hazard PH sehr anfällig für Erdrutsche und Erdbeben.
  • # Es besteht die unmittelbare Gefahr von Überschwemmungen.
  • # Die Flora und Fauna, insbesondere die Obstbäume, werden ausgerottet, sobald die Bauarbeiten beginnen. Es gibt einen einheimischen Baum namens Ibuli, eine heimische Kastanie, die jetzt in der Stadt Pakil, Laguna, unter Naturschutz steht, nachdem die örtliche Regierung eine Verordnung erlassen hat, die den Ibuli zum Aushängeschild für die Naturschutzmaßnahmen der Stadt erklärt.
  • # Ein natürlicher Bach und ein öffentliches Schwimmbad, von denen die Einheimischen glauben, dass sie Krankheiten heilen, werden ausgetrocknet.
  • # Die Lebensgrundlagen in den Bergen und in der Bucht werden ebenso betroffen sein, z.B. die Produktion von Meereslebewesen in der Laguna de Bay.

Der Hauptnutznießer dieses Projekts ist der Bürgermeister der Gemeinde Pakil und seine Verbündeten, die die Zukunft ihrer Stadt verkauft haben.«

Eine Infografik aus den Planungen zeigt die direkt betroffenen Gebiete in der Provinz Laguna.

CLK: Welche weiteren Bedenken und Kritikpunkte haben die Gegner*innen des Projekts? Worauf zielen die Kampagne und ihre verschiedenen Bestandteile ab?

»Der wichtigste Kritikpunkt der Gegner*innen ist, dass das Projekt von vornherein illegal ist, da es keine öffentliche Beteiligung gab und die Politiker*innen zugestimmt haben, ohne die Zustimmung der Gemeindemitglieder oder der Interessengruppen einzuholen, und die Vereinbarung mit dem Projektträger Ahunan Hydropower ohne eine weitere Studie oder eine Genehmigung des Ministeriums für Umwelt und natürliche Ressourcen unterzeichnet haben.

Die Gemeinden wollen, dass die Vereinbarung annulliert und widerrufen wird. Sie streben Schadensersatz und die Verfolgung von Politiker*innen an, insbesondere des Bürgermeisters und seiner Verbündeten, die dem Projekt zugestimmt haben. Sie wollen, dass das Ministerium für Inneres und Kommunales und die nationale Regierung in den Fall eingreifen und die Rechtmäßigkeit des Projekts in Frage stellen.«

Wir wollen unsererseits mehr Druck auf alle Behörden ausüben, damit sie Verantwortung übernehmen, und wir werden alles tun, damit sie tätig werden.

CLK: Ihr als anarchistische oder autonome Aktivist*innen - was ist eure Rolle und Perspektive in den Kämpfen?

»Als dekolonisierender Anarchist* [decolonize anarchist] bin ich mehr daran interessiert, lokale indigene Werte als Grundlage für anarchistisches Denken, Praxis und Werte anzuerkennen, als den westlichen Anarchismus. [2]  Am Anfang meines Engagements bestand meine Hauptrolle darin, Kampagnenutensilien bereitzustellen, die Gemeinden durch Schulungen zu unterstützen und Dialoge und Treffen zu erleichtern, mögliche Unterstützungsgruppen wie Anwält*innen und Medienvertreter*innen zu vernetzen, öffentliche Veranstaltungen zu organisieren und das Thema so weit wie möglich bekannt zu machen. Bei all diesen Versuchen wurde mir klar, dass die Last, die ich zu tragen habe, zu groß ist. Ich bin eine Einzelperson, die ein kleines Netzwerk von Freund*innen hat, die mich im Rahmen ihrer Möglichkeiten unterstützen. Wir mussten Zeit, Geld, Ideen und Mühe aufwenden, um diese Solidaritätsarbeit zu ermöglichen, und da wir autonom sind, mussten wir manchmal in einigen Punkten Kompromisse eingehen, um unsere Beziehungen zu den betroffenen lokalen Gemeinschaften aufrechtzuerhalten. Ich lerne sehr viel, da es für mich neu ist, mich über einen längeren Zeitraum mit demselben Thema zu beschäftigen. Wenn ich früher eine Umweltkampagne unterstützt habe, habe ich nur Kampagnenutensilien zur Verfügung gestellt und Dokumentarvideos gedreht, aber für diese Kampagne war mehr notwendig.«

Nationale Energiepolitik und die Perspektiven der Umweltbewegung

CLK: Von hier aus ist es schwierig, sich ein vollständiges Bild zu machen. Kannst du uns einige Hintergrundinformationen geben, die wichtig sind, um das Projekt und die Politik dahinter zu verstehen?

»Der philippinische Energiesektor stützt sich derzeit weitgehend auf fossile Brennstoffe (ca. 77 %) und es wird erwartet, dass der Einsatz von Kohlekraftwerken zur Deckung des künftigen Energiebedarfs zunimmt, was sich negativ auf die Umwelt auswirken wird. Nach Angaben des Energieministeriums ist die Entwicklung und optimale Nutzung der erneuerbaren Energieressourcen des Landes von zentraler Bedeutung für die nachhaltige Energieagenda der Philippinen. Erneuerbare Energien sind ein wesentlicher Bestandteil der Entwicklungsstrategie des Landes für niedrige Emissionen und von entscheidender Bedeutung für die Bewältigung der Herausforderungen des Klimawandels, der Energiesicherheit und des Zugangs zu Energie.

Das Nationale Programm für erneuerbare Energien (NREP) umreißt den politischen Rahmen, der im Republic Act 9513 verankert ist. Es legt die strategischen Bausteine fest, die dem Land helfen sollen, die im Erneuerbare-Energien-Gesetz von 2008 festgelegten Ziele zu erreichen. Das NREP signalisiert den großen Sprung des Landes von vereinzelten und stockenden Initiativen für erneuerbare Energien hin zu einem gezielten und nachhaltigen Streben nach Energiesicherheit und einem verbesserten Zugang zu sauberer Energie.

Das NREP enthält Richtwerte und Etappenziele für die Bereitstellung erneuerbarer Energien im Zeitraum von 2011 bis 2030. Die Verwirklichung der hochgesteckten Ziele bis 2030 wird eine Herausforderung, da die detaillierte Planung, die Finanzierung und der Bau von Infrastrukturen für erneuerbare Energien in einem Umfang und innerhalb eines Zeitrahmens erfolgen müssen, wie es bisher noch nie der Fall war.

Meines Erachtens gibt es einen weltweiten Ruf nach sauberer Energie im Zusammenhang mit der Klimakrise, aber es stellt sich die Frage, wie dies hier vor Ort umgesetzt werden kann. Man sieht Wasserkraft und Solarenergie als Versuche, den Kohlenstoffausstoß zu verringern, aber das Problem ist das kontinuierliche Streben nach Profit, anstatt einen Weg für einen besseren Energieverbrauch und bessere Alternativen zu finden, die weniger schädlich für unsere Umwelt sind. Aber für mich gibt es keine sauberen Energielösungen, selbst wenn sie mit Windturbinen, Sonnenkollektoren und ähnlichem hergestellt werden, da die meisten davon Rohstoffe benötigen, die im Bergbau gewonnen werden. Wir müssen das Ausmaß und die Notwendigkeit des Energieverbrauchs in Frage stellen, um Alternativen zu schaffen, die weniger schädlich sind.

Die fortschrittliche Bewegung beschäftigt sich heute mit Fragen des Klimawandels und Umweltkämpfen, aber immer noch nicht genug, da die Hauptbewegung gespalten ist. Es gibt eine kleine Anzahl von Akteur*innen, die sich ernsthaft mit ökologischen Fragen als wichtiger Grundlage für jeden Kampf auseinandersetzen. Die indigenen Gemeinden brauchen viel Unterstützung, um ihr Land, ihre Identität, ihre Lebensweise, ihre Kultur und ihre Selbstbestimmung zu verteidigen.«

Marcos, Duterte und zurück?

CLK: Bei den Wahlen Anfang 2022 wurde Marcos Jr. - der Sohn des ehemaligen Diktators - zum Präsidenten gewählt. Und Vizepräsidentin ist die Tochter des bisherigen Amtsinhabers Duterte, der aus unserer Sicht vor allem durch seinen mörderischen Feldzug gegen die Drogen bekannt geworden ist. Was hat sich unter der neuen Regierung geändert, was ist zu erwarten und wie wirkt sich das auf das Staudammprojekt und die Kampagne aus?

»Oh ja, der neu gewählte Präsident und der Vizepräsident stammen bekanntlich aus einer faschistischen Familie. Wir glauben eigentlich, das Schlimmste kommt noch, vor allem in Bezug auf die Verletzung der Menschenrechte. Obwohl der Krieg gegen die Drogen nach Dutertes Amtszeit ein wenig zu Ende gegangen ist, sind alle seine Verbündeten in Polizei und Militär immer noch im Amt. Was wir von der Tochter Dutertes erwarten, ist ein massives Vorgehen gegen Dissident*innen, studentische Aktivist*innen, Umweltschützer*innen usw., da sie im Rahmen des für 2023 vorgeschlagenen Haushaltsplans in Höhe von 710 Mrd. P vertrauliche Mittel beantragt und auf eine ‚direkte Verbindung‘ zwischen Grundschulbildung und nationaler Sicherheit hinweist. Es wird in Zukunft schwer für uns werden, und wir brauchen eine Exitstrategie, falls etwas Schlimmeres passiert.«

CLK: Auf den Philippinen gibt es eine lange Tradition der politischen Unterdrückung durch den Staat, aber auch durch Paramilitärs und das organisierte Verbrechen. Es gibt Berichte, dass es unter der Regierung Duterte zu einem massiven ‚red-tagging‘ gekommen ist, d.h. zur Diskreditierung und Verfolgung von Aktivist*innen als vermeintliche Unterstützer*innen der kommunistischen New People's Army (NPA). Wie habt ihr dies erlebt und wie hat sich die Situation seit den Wahlen entwickelt?

»Red-tagging war in der Zeit von Dutertes Regime sehr weit verbreitet und wird auch weiterhin anhalten, um die Unterstützer*innen der Kommunistischen Partei der Philippinen und der New People's Army zum Schweigen zu bringen, da die neu gewählte Vizepräsidentin, die mit Unterstützung des Militärs dem Bildungsministerium vorsteht, stark an der Veränderung der Indoktrination interessiert ist.

Was uns betrifft, so sind die Anarchist*innen/Autonomen in gewisser Weise unsichtbar, und es scheint, dass wir für den Staat keine Bedrohung darstellen, so dass sie ihre Aufmerksamkeit auf die CPP/NPA richten, weil sie fähiger sind, da sie über einen bewaffneten Flügel verfügen und gut organisiert sind. Aber wir lassen unsere Wachsamkeit nicht sinken, da der Staat uns dennoch sieht. Unserer Erfahrung nach haben wir im Moment keine Probleme, da wir unseren Aktivismus in einem ganz anderen, nicht traditionellen, neuen und kreativen Ansatz darstellen, den der Staatsapparat im Vergleich zum autoritär-linken Flügel nicht leicht einordnen kann.«

Legalismus, Straßenproteste und Repression

CLK: Wie du beschrieben hast, finden im Rahmen der Kampagne gegen das Staudammprojekt hauptsächlich legale und formelle Aktivitäten statt. Welche Bedeutung haben Straßenproteste und direkte Aktionen in diesem Zusammenhang und welche Rolle spielt hierbei die Repression?

»Ja, die meisten der Hauptinitiativen entwickeln sich rund um legale Maßnahmen. Wir finden Wege, wie wir Straßenaktionen möglich machen können, die nicht zu ‚radikal‘ sind und die von den Menschen leicht verstanden werden können, und hoffen, dass wir von ihnen Sympathie bekommen. Aber auch wir versuchen, unsere Absichten zu verbergen, nicht als radikal angesehen zu werden, da wir als Umweltschützer*innen in diesem Land gefährdet sind.

Zum achten Mal in Folge wurden die Philippinen zum tödlichsten Land für Land- und Umweltschützer*innen auf dem asiatischen Kontinent ernannt, wie eine Umweltorganisation mitteilte. In ihrem Bericht für das Jahr 2021 erklärte die Nichtregierungsorganisation Global Witness, sie habe allein auf den Philippinen insgesamt 29 dokumentierte Tötungen von „Menschen, die ihre Heimat, ihr Land und ihre Lebensgrundlage sowie Ökosysteme verteidigen“, registriert. Im Jahr 2019 hatten die Philippinen mit 43 dokumentierten Todesfällen den Spitzenplatz inne.« [3]
 

CLK: Welche konkreten Erfahrungen mit Repressionen gibt es bisher im Rahmen der aktuellen Kampagne? Womit müsst ihr noch rechnen und wie geht ihr damit um?

»Im Juni 2022 wurde ein Mitglied von MANAPAK in der Stadt Pakil verhaftet und nach einer öffentlichen Diskussion über das geplante Ahunan-Wasserkraftwerksprojekt inhaftiert. Sie wurde im Rahmen des red-tagging durch die Regierung verhaftet. [4]

Wir selbst hingegen haben bisher keine ernsthaften Repressionen erlebt, abgesehen von Drohungen, die wir hörten, als wir die Gemeinden besuchten, und unsere Kontakte in der Gegend erinnern uns immer daran, wachsam zu sein, wenn wir sie besuchen. In solchen Fällen tauchen wir eine Zeitlang unter und kommunizieren online mit unseren Kontakten vor Ort, um uns auf dem Laufenden zu halten, damit wir dort nicht hin müssen, damit wir unsere Angst und Paranoia etwas abbauen.«

Nächste Schritte, transnationale Perspektiven und Solidarität

CLK: Wie geht es weiter? Welche weitere Strategie verfolgt ihr und was ist als nächstes geplant?

»Für die Zukunft ist geplant, unsere Arbeit auf zwei verschiedene Provinzen, Laguna und Quezon, auszudehnen, da auch dort umweltzerstörende Projekte wie das Belisama-Wasserkraftwerksprojekt in Pangil Laguna und der Meeresbodenabbau in der Tayabas-Bucht geplant sind.

Wir haben fünf große Aktivitäten/Pläne wie Participatory Rural Appraisal/Gemeindeforschung, Videoproduktion, Publikation, Workshop/Bildung, die als Rückgrat für unsere Kampagne dienen sollen, je nach unseren Kapazitäten, und einige davon sind bereits im Gange. Alle diese Aktivitäten sind darauf ausgerichtet, die Gemeinden für einen langen und anstrengenden Kampf zu rüsten und sie in ihrem Widerstand zu stärken.«

CLK: Inwieweit seht ihr euch mit sozialen, politischen und ökologischen Bewegungen in anderen Ländern und auf anderen Kontinenten verbunden? Wie drückt sich dies aus?

»Es ist für uns hier auf den sogenannten Philippinen sehr wichtig, immer mit der internationalen Bewegung verbunden zu sein, um Inspirationen, Strategien und Ideen auszutauschen und zu teilen, um mehr egalitäre, gemeinschaftsorientierte Projekte und Initiativen im Kampf gegen Ungerechtigkeiten und Ungleichheiten zu entwickeln.«

CLK: Bei Café Libertad haben wir kürzlich auch darüber diskutiert, welche Verbindungslinien es zwischen eurem Kampf und der Situation in anderen Ländern gibt. Wir denken zum Beispiel an die Situation in Mexiko, wo vor allem indigene Gemeinden gegen kapitalistische Großprojekte und deren zerstörerische Folgen kämpfen und sich für „Land und Freiheit“ organisieren. Was ist deine Meinung dazu?

»Ich bin wirklich fasziniert und neugierig auf den selbstorganisierten Widerstand der indigenen Gemeinschaften in Mexiko, insbesondere der Menschen in Chiapas. So etwas haben wir hier nicht. Ich frage mich auch, ob es möglich ist, dass sie uns hier besuchen und wir verschiedene Foren und Begegnungen mit anderen indigenen Gemeinschaften hier oder bei anderen lokalen Organisationen organisieren können, um Geschichten und Erfahrungen über den lokalen Widerstand zu fördern und auszutauschen.«

CLK: Was braucht ihr, um den Kampf fortzusetzen? Was kann auf einer internationalen Ebene der Solidarität getan werden?

»Ich wollte fragen, ob es eine Möglichkeit für die Genoss*innen in der internationalen Gemeinschaft gibt, Druck auf die philippinische Regierung auszuüben und dies in ihren jeweiligen Orten zu tun. Einer der Gründe, warum die massiven Tötungen im Zusammenhang mit dem Krieg gegen die Drogen auf ein Minimum reduziert wurden, war der internationale Druck.«

 

Das Interview wurde Anfang 2023 in schriftlicher Form und auf Englisch geführt.


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[1] Ein Eindruck davon, was genau geplant ist, wie es offiziell eingeschätzt und präsentiert wird, lässt sich einem Scoping entnehmen, das auf der Webseite der staatlichen Environmental Impact Assessment and Management Division (EIAMD) hinterlegt ist: https://eia.emb.gov.ph/wp-content/uploads/2022/02/C.-Ahunan-Project-Description-for-Scoping.pdf

[2] Die Historikerin, Schriftstellerin und Aktivistin Maia Ramnath hat ein Buch mit dem Titel Decolonizing Anarchism geschrieben. Das Buch untersucht die Geschichte der südasiatischen Kämpfe gegen Kolonialismus und Neokolonialismus und beleuchtet sowohl weniger bekannte Dissidenten als auch bekannte Persönlichkeiten. Daraus ergibt sich ein alternatives Narrativ der Dekolonisierung, in dem die Befreiung nicht durch die Errichtung eines Nationalstaates definiert wird. Die Autorin Maia Ramnath weist darauf hin, dass die anarchistische Vision einer alternativen Gesellschaft dem Konzept der vollständigen Dekolonisierung auf politischer, wirtschaftlicher, sozialer, kultureller und psychologischer Ebene sehr nahe kommt. Decolonizing Anarchism ermöglicht nicht nur eine Neuinterpretation der Geschichte des Antikolonialismus, sondern gibt auch Einblick in die Bedeutung des Anarchismus selbst. Das Buch kann über das Kollektiv AK Press erworben werden, ist aber auch kostenlos als PDF erhältlich.

[3] Global Witness ist eine Umweltgruppe, die sich darauf konzentriert, Unternehmen und Regierungen für die Zerstörung der Umwelt zur Verantwortung zu ziehen. Jedes Jahr veröffentlicht die Gruppe einen Bericht, der die Statistik der getöteten Landaktivist*inen in verschiedenen Ländern offenlegt. Ein Bericht aus dem Jahr 2019 mit dem Titel Defending the Philippines ist hier auf der Webseite der Organisation verfügbar. Darin wird für 2018 von mindestens 30 ermordeten Land- und Umweltschützer*innen gesprochen.

[4] In einer Presseerklärung der Kampagne heißt es dazu: „Am 11. Juni wurde die 68-jährige Umweltschützerin Daisy Macapanpan, eine der Anführerinnen des kommunalen Widerstands, in ihrer Wohnung wegen ‚Rebellion‘ verhaftet, nachdem sie eine Rede gegen das Projekt gehalten hatte. Mutmaßlich von 40 Polizeibeamten ohne Haftbefehl. Sie wurde am 10. August gegen Kaution freigelassen. Illegale Inhaftierungen und Verhaftungen von Umweltschützern sind auf den Philippinen verbreitet.“

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