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Perspektiven des solidarischen Handels

Kaffee für den täglichen Aufstand

Auch wir haben keine fertige Antwort auf die Verhältnisse. Die Möglichkeiten des fairen oder solidarischen Handels bleiben in einer nach kapitalistischen Prinzipien globalisierten Welt begrenzt. Eine solidarische Ökonomie darf daher nicht nur zum Ziel haben, bessere Preise in einem an sich falschen System des Welthandels zu erwirken. Die Unterstützung von sozialen Bewegungen und Protesten ist ein wichtiger Bestandteil. Solidarische Kaffeeprojekte sind nicht neutral, sie finden sich nicht nur in Läden und Cafés, sondern im besten Fall auf der Straße wieder.

Probleme kann auch eine wachsende soziale Schere in den Gemeinden verursachen, wenn Kaffee im Verhältnis zu sonstigen Lebensmitteln wie Mais oder Bohnen sehr hoch bezahlt wird. Abgekoppelte Märkte fördern im schlechtesten Fall Monokulturen und abhängige Arbeit. Es ist daher wichtig, Handels- und Produktionsformen zu entwickeln, welche die Biodiversifikation, Unabhängigkeit und Autonomie von Kooperativen fördern, Überschüsse aber z.B. via Fördermittel für Infrastruktur auf möglichst viele Gemeindemitglieder umverteilen.

Wichtiger werden in Zukunft auch Autozertifizierungen und Selbstvermarktungskonzepte von Produzent*innen. Je mehr Wertschöpfung in den Produktionsländern verbleibt, umso nachhaltiger und besser auch die Bedingungen im globalen Maßstab. Unterstützung bei der Qualitätsentwicklung und Bildungsarbeit werden dabei noch bedeutsamere Faktoren. Solidarischer Handel ist Hilfe zur Selbstermächtigung von Kleinbäuer*innen, Kooperativen und Verbraucher*innen. Im besten Fall macht er sich langfristig selbst überflüssig, damit ein ganz anderes Ganzes möglich wird.

Es gibt im solidarischen und fairen Handel verschiedene Akteur*innen, die eine sehr solidarische Zusammenarbeit mit Kooperativen entwickelt haben. Die Konzepte unterscheiden sich dabei, aber Organisationen und Vereine eint der Versuch, alternative Handelsformen zu entwickeln und mehr Wertschöpfung in den Produktionsländern möglich zu machen. Es ist erstmal egal, ob ihr Kaffee bei Café Libertad Kollektiv oder anderen Akteur*innen eines fairen oder solidarischen Handels kauft. Wichtig ist aber, sich nicht nur auf Siegelungen zu verlassen. Manche Organisationen oder Konzerne betreiben eher Greenwashing, statt an wirklichen Alternativen zum Welthandel zu arbeiten.

Selbst große Konzerne sind inzwischen auf die Erfolgswelle aufgesprungen und haben in Europa auf "fairen" Handel umgestellt, um von einem positiven Image zu profitieren. Mit dem steigenden Marktanteil von zertifiziertem Kaffee wächst allerdings auch die Kritik an dieser Form des alternativen Handels. Ein hoher Anteil der Wertschöpfung von fair gehandelten Produkten findet nicht in den Produktionsländern, sondern vor allem im Bereich der Verarbeitung und Vermarktung statt. Kleinbäuer*innen beklagen zu niedrige und stagnierende Mindestpreise. Bürokratische Hürden und mangelnde Kontrollen begünstigen zudem größere Anbieter*innen. Verbände und Kooperativen in den Produktionsländern kritisieren teilweise zudem die Ineffizienz und fehlende Mitbestimmung bei großen Zertifizierungsorganisationen und arbeiten an regionalen Autozertifizierungen.

Durch solche Strukturen heben sich faire Produkte in der Praxis teilweise weniger von den grundsätzlichen Mechanismen des Rohkaffeeweltmarktes ab und werden gerade aufgrund ihres wirtschaftlichen Erfolges zu einem eigenständigen hochpreisigen Segment innerhalb dessen. Fairer Kaffee wird an den großen Umschlagplätzen der Welt inzwischen oft ähnlich gehandelt wie konventioneller Kaffee. Supermarktvertriebswege bleiben zudem auch mit ökologischem oder sozialverträglichen Anstrich den ureigenen Marktzwängen, einer rigiden Preis- und Einkaufspolitik, unterworfen. Es lohnt sich also auch im Fall einer Siegelung, genau zu schauen, wo der Kaffee herkommt, wie er produziert wurde und wo er verkauft wird.

Ein zentraler Bestandteil von Café Libertad Kollektiv ist es, ohne Produktions- und Vertriebsstrukturen des Zwischenhandels wie Supermarktketten zu arbeiten. Je direkter und transparenter der Weg des Kaffees zum Verbrauch, desto besser die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. So ist es möglich, nachhaltiger und selbstbestimmter zu arbeiten und Kleinbäuer*innen, Produzent*innen und Verbraucher*innen als anderes Modell einer solidarischen Landwirtschaft in enge Kooperation zu bringen.

"Kaffee für den täglichen Aufstand" bedeutet darüber hinaus, eng mit oppositionellen und widerständigen Gruppen verbunden zu sein, diese zu unterstützen und sich zum Teil von lokalen Kämpfen und sozialen Bewegungen in aller Welt zu machen. Wir machen keine Lobbypolitik, um Forderungen an die etablierte Politik stellen, sondern unterstützen möglichst direkt emanzipatorische Selbstorganisierungen und die Entwicklung widerständiger Ökonomien als Basis für soziale Kämpfe.

 

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