Angriffe auf Kaffeelager und die Autonomie der zapatistischen Gemeinden
iLos Zapatistas no estan solos!
Die autonomen zapatistischen Gemeinden im südmexikanischen Chiapas werden wiederholt von paramilitärischen Einheiten angegriffen. In Aldama kommt es bereits seit Monaten zu Angriffen und Vertreibung der Bevölkerung. Am 22. August wurden jetzt in der kleinen Stadt Ocosingo zwei zapatistische Kaffeelager geplündert und gleichzeitig mit zwei weiteren Häusern in Brand gesetzt.
Durchgeführt wurde dieser Angriff von Orcao, einer vordergründig harmlosen Vereinigung von Kaffeebäuer*innen, die als regierungstreue Organisation mit paramilitärischen Strukturen seit vielen Jahren für Landraub und Angriffe auf indigene Gemeinden verantwortlich ist. Ernten werden gestohlen, Pflanzungen vernichtet und Bäuer*innen bei der Arbeit auf den Feldern angegriffen. Gleichzeitig wird versucht, von der Regierung offizielle Landtitel für die umkämpften Gebiete zu erwerben.
Nach dem zapatistischen Aufstand 1994 hat die mexikanische Regierung Landflächen von indigenen Gemeinden bombardiert. Dabei starben mehr als 300 Menschen. Die anschließende weltweite Solidarität mit den Zapatistas hat dazu beigetragen, dass die Regierung einen Waffenstillstand unterzeichnet hat. Darin wurde festgehalten, dass Forderungen der Zapatistas, wie das Recht auf Gesundheit, Bildung, Arbeit, Wohnung, darauf, die eigene Sprache zu sprechen und die eigene Kultur zu leben, in der mexikanischen Verfassung verankert werden sollten.
Die wechselnden mexikanischen Regierungen haben dies bis heute nicht umgesetzt, den Waffenstillstand nicht eingehalten und illegale paramilitärische Gruppen gefördert. Eine solche war 1997 für ein Massaker in Alcetal mit 45 Toten verantwortlich, deren jüngstes Opfer die acht Monate alte Juana Vazquez Luna und deren ältestes die 61-jährige Juana Gomez Perez war.
Durch die aktuellen bewaffneten Angriffe auf Kaffeepflanzungen, durch den Raub von Transportwagen und Maschinen für die Kaffeeverarbeitung, durch Einschüchterungen und Morddrohungen gegen die Bauer*innen und ihre Familien wird nicht nur versucht, eine Senkung der Erträge der Kaffeeernten zu erreichen, sondern die ökonomische Basis der zapatistischen Bewegung und Autonomie anzugreifen. Die Ernte der Kooperativen konnte in Aldama teilweise nur unter schweren Bedingungen in Nachtarbeit oder unter Beschuss eingebracht werden.
Illegale paramilitärische Organisationen wie die Orcao genießen dabei den Schutz und die Unterstützung der lokalen Regierung und des „linksorientierten“ Regierungsbündnis von Präsident Andrés Manuel López Obrador. Die Zapatistas haben die Wahlkampagne der parlamentarischen Linken nicht unterstützt, da sie aus der 500-jährigen Erfahrung von Kolonialismus und nie erfüllten Versprechen von Land und Freiheit kein Vertrauen in Politiker*innen haben. Nach dem Wahlsieg von Obrador bekräftigten sie mit anderen indigenen Gemeinden in Mexiko ihre Kritik und beharrten auf ihre Autonomie.
Präsident Obrador verübelt den Zapatistas nicht nur diese Haltung, sondern auch ihre widerständige und oppositionelle Position zu Großprojekten wie Tren Maya.
Hier soll eine Eisenbahnstrecke über 1525 Kilometern an den Stätten der namensgebenden Maya vorbei über die gesamte Halbinsel Yucatan führen. Das 2018 von Obrador angekündigte milliardenschwere Prestigeprojekt soll neben Güterverkehr rund drei Millionen Menschen in bisher nicht erschlossene Naturräume transportieren und über Tourismus und Hotelbauten refinanziert werden. Indigene und Umweltaktivist*innen haben Widerstand angekündigt, da sie Enteignungen im Rahmen des Eisenbahnrechts, Vertreibungen zugunsten des Tourismus, Raubbau von Bodenschätzen, Zunahme der organisierten Kriminalität und Zerstörung von Regenwäldern und Naturressourcen befürchten.
Tren Maya gilt als ein Schlüsselprojekt der Regierung zur kapitalistischen Erschließung der Region. Bei Konzernen, Investoren und Drogenkartellen herrscht gleichermaßen Goldgräberstimmung. Die lebenden Nachfahr*innen der Maya stören hierbei. Ebenso die Autonomie von indigenen Gemeinden wie der Zapatistas.
Obwohl sich die Zapatistas seit Jahren an den Waffenstilstand von 1994 halten, droht daher eine Eskalation. Menschenrechtsorganisationen warnen vor Massakern an der indigenen Bevölkerung in der Region. Beobachter*innen befürchten, durch wiederholte Angriffe von regierungsnahen Paramilitärs könnten über eine Eskalationsstrategie langfristig Zustände geschaffen werden, die die Voraussetzungen schaffen für eine Offensive des Militärs gegen die zapatistischen Gemeinden und deren Idee von Land und Freiheit.
Bei allen Unterschiedlichkeiten sind sich die mexikanischen Parteien einig im Wunsch nach wirtschaftlichem Zugriff zur Ausbeutung der natürlichen Ressourcen im Land. Sie teilen die Anfälligkeit für Korruption und die leeren Versprechungen für Indigene. Sie sind politisch verantwortlich für die nicht enden wollenden Mordanschläge auf politische Aktivist*innen, Jornalist*innen oder Gewerkschafter*innen.
Die Dimension der Feminizide hat während der Regierungszeit von Obrador weiter zugenommen, ebenso jedoch die Proteste auf den Straßen gegen sexualisierte Gewalt. Dem Rat der indigenen Gemeinden (CNI) gehören heute die meisten Gemeinden seit der Zeit der unvollendet gebliebenen mexikanischen Revolution und Landreform an. Was wir aktuell erleben, sind nicht nur Morde und Angriffe, sondern auch Aufbrüche und Widerständigkeiten von sozialen Bewegungen - in Mexiko und im globalen Maßstab.
Die Zapatistas können dabei kein Vertrauen in die Politik setzen. Sie können nur auf ihre eigene Kraft vertrauen, auf sich selbst und uns alle, als Teil vielfältiger solidarischer Bewegungen gegen kapitalistische Zwänge und die zunehmenden Folgen von globalem Raubbau und Klimawandel.
Für die direkte Solidarität mit den aufständischen Gemeinden und dem Projekt der indigenen Autonomie in Chiapas!
Die Zapatistas sind nicht allein - iLos Zapatistas no estan solos!
Das Kollektiv tres gatas hat auf seinem Blog einige aktuelle Filme zu den zapatistischen Gemeinden veröffentlicht, auf die wir an dieser Stelle hinweisen wollen:
https://tresgatas.blackblogs.org/filme/
"Es sprechen die Compañeras, die Compañeros der Unterstützungsbasis des EZLN, wie sie ihre
Autonomie aufbauen. Es erzählen die Compañeras Zapatistas in zwei Beiträgen, wie ihre Situation
als Frauen vor dem zapatistischen Aufstand von 1994 aussah – und wie sie jetzt ist. Der
SupGaleano übt dabei die notwendige Selbstkritik der zapatistischen Compañeros. Ja, und die
zapatistischen Abuelit@s, die Alten, sprechen von ihrer Ausbeutung auf den Fincas – und warum es
notwendig ist, im gegenwärtigen Kampf nicht nachzulassen. Last but not least wird hier eines der
wenigen Interviews mit dem SupMoy, dem Sprecher des EZLN, dokumentiert – sowie ein weiterer
Beitrag der Comisión Sexta des EZLN, in dem sie schildern, wie sie sich organisiert haben, um den
Kampf der Migrant*innen in den USA zu unterstützen.
Vier kleine Filme zur Geschichte des Congreso Nacional Indígena (CNI), zu seiner Sprecherin
María de Jesús Patricio Martínez, Marichuy – und über die beiden »Internationalen Treffen der
Frauen, die kämpfen« 2018 und 2019 in Tierra Zapatista – geben Euch weitere notwendige
Informationen und kleine Eindrücke von zapatistischer Organisierung und die der Pueblos
originarios in Mexiko.
Guckt Euch die Filme an, ladet sie herunter, verbreitet sie – diskutiert, macht Veranstaltungen,
organisiert Euch – lebt »wild und gefährlich« internationalistisch.
Schnurrrr ... Die kollektive Katze macht einen Buckel ... und streckt sich entspannt ...
zwischen den Bergen des Südosten Mexikos und anderen Orten des Planeten Erde.
yepa, yepa, ándale, ándale ...
tres gatas – producción en colectivo.
August 2020."