Hassverbrechen und politische Morde
LGBTI* Bewegung in Honduras
Honduras wird derzeit von einer Serie politischer Morde und staatlicher Repressionen erschüttert. Betroffen sind neben widerständigen indigenen Organisationen und Gewerkschaftsangehörigen insbesondere Transgender und queere Aktivist*innen. Allein in den letzten Monaten wurden zahlreiche Menschen aus dem Umfeld der LGBTI*-Organisation Arcoiris ermordet (LGBTI * - Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender, Intersex *). Vor wenigen Tagen, am 6. Juli 2016, wurde mit Lesbia Yaneth zudem eine weitere Aktivistin der indigenen Organisation COPINH erschossen.
2015 war das bisher blutigste Jahr für die LGBTI*-Community in Honduras mit 26 registrierten Morden. Die Straflosigkeit liegt bei 98% der Fälle. Insgesamt 171 registrierte Hassverbrechen wurden seit einem zivil-militärischen Putsch 2009 gezählt, wobei von einer hohen Dunkelziffer auszugehen ist. Die LGBTI*-Bewegung konstituierte sich in dieser Phase als öffentlich sichtbarer Teil des zivilgesellschaftlichen Widerstandes. Auch heute sind LGBTI*-Gruppen ein sehr aktiver und sichtbarer Teil der Protestbewegung gegen staatliche Korruption und politische Morde.
Hassverbrechen und staatliche Repression
Achtzig Prozent der transsexuellen Menschen Lateinamerikas sterben vor Erreichung des 35. Lebensjahres, in Honduras liegt die Lebenserwartung sogar bei unter 30 Jahren.
Über die Hälfte der Fälle werden Polizeiangehörigen oder sonstigen Sicherheitskräften zugerechnet. Anzeige zu erstatten bedeutet für Betroffene ein hohes Risiko. Die Behörden kennen anschließend die Daten, wodurch die Gefahr von Angriffen steigt. Der Aktivist Donna Reyes erklärt dazu: „Im Jahr 2009 haben wir den ersten Bericht über die „Hassverbrechen“ gemacht. Wir waren damals mitten im Staatsstreich. Wir haben festgestellt, dass 60 % der Verbrechen, die wir belegen konnten, von Angehörigen der Polizei oder der Streitkräfte verübt worden waren. Der Staat ist also direkter Komplize und wenn du das anprangerst, gehst du natürlich ein großes Risiko ein.“
Auch der Zugang zur Gesundheitsversorgung ist für Transgender in Honduras problematisch und weiterführende Schulen und Universitäten verweigern diesen die Aufnahme. Schätzungen zufolge flüchten aktuell bis zu 70% der Trans*Community in andere Länder.
Die Arcoiris Aktivistin Paola Barraza wurde im Sommer 2015 angeschossen. Die Kugel wurde vom Jochbein-Knochen abgelenkt und blieb in ihrem Hinterkopf stecken. Paola Barazza überlebte dieses Attentat durch diesen Umstand knapp, um anschließend am 24. Januar 2016 bei einem zweiten Attentat vor ihrer Haustür erschossen zu werden.
Kendry Hilton eine andere Aktivistin von Arcoiris sollte Anfang Mai an einer Rundreise und Veranstaltung in Hamburg teilnehmen, um über diese Situation für LGBTI* in Honduras zu berichten. Kurz vor Antritt der geplanten Reise musste Kendry Hilton nach Drohungen und einem versuchten Attentat flüchten und abtauchen. Frenessys Sahory Reyes ist schließlich eingesprungen, um im Rahmen der Rundreise über Morde, Drohungen, Vergewaltigungen und staatliche Gewalt in Honduras zu informieren.
Noch während Frenessys Sahory Reyes im Rahmen der Rundreise unterwegs war, wurde eine weitere Aktivistin von Arcoíris ermordet. Auf Elkin Enil Amador Castellanos wurden 22 Schüssen abgefeuert, die meisten davon in ihr Gesicht, das völlig zerstört wurde. Sie war in einer alltäglichen Situation während der Arbeit an ihrem Verkaufsstand für Früchte und Gemüse umgebracht worden. Schon die grausame Ausführung der Tat spricht für ein Hassverbrechen.
Fast zeitgleich wurde zudem Amilcar Hernandez ermordet. Ein schwuler junger Mann, der eine Bar betrieben hat, die häufig von Trans*Frauen aus dem Umfeld von Arcoiris besucht wurde. Die Serie von Morden ist Ausdruck heterosexistischer Kampagnen von christlichen, fundamentalistischen Gruppen, die in Honduras eng mit Polizei und Regierung verflochten sind und häufig von reaktionären Freikirchen und anderen fundamentalistischen Organisationen aus Deutschland, Europa und den USA unterstützt werden.
Repression und Gewalt gegen indigene und politische Organisationen der sozialen Protestbewegungen
Staatliche Gewalt gegen politische und oppositionelle Organisationen ist in Honduras dabei an der Tagesordnung und hat sich in den letzten Monaten nochmals dramatisch zugespitzt.
Zuletzt wurde am 6. Juli Lesbia Yaneth, eine Companera der indigenen Organisation COPINH ermordet. Lesbia Yaneth war eine bekannte Aktivistin gegen den Militär-Putsch von 2009 und aktive Militante bei der Verteidigung der gemeinsamen Güter und indigenen Rechte.
Unter anderem war sie gegen den Bau des Staudammprojektes Agua Zarca in der Gemeinde San Jose, La Paz engagiert. In diesem Zusammenhang sind bereits mehrere Menschen vom Militär oder Killerkommandos erschossen worden, um die anhaltenden, indigenen Proteste zu brechen. Das Staudammgroßprojekt in Honduras ist ein korrupter Sumpf aus Verbrechen, Politik, Wirtschaft und internationalen Konzernen wie z.B. Siemens in Deutschland.
Vier Monate und vier Tage nach der Ermordung der COPINH Sprecherin Berta Cáceres ist dieser jüngste gezielte Mord ein weiterer Ausdruck einer in Mexiko, Honduras und anderen Ländern inzwischen als Femizid bezeichneten Welle der Gewalt gegen die Stimmen von widerständigen Frauen oder auch LGBTI*-Aktivist*innen, die ihre Rechte gegen die patriarchalen, rassistischen und kapitalistischen Verhältnisse in der Welt einfordern.
Solidarität gegen kapitalistische Realitäten
Es ist notwendig, der politischen Strategie, widerständige Organisationen und Aktivist*innen unsichtbar zu machen und verschwinden zu lassen, unseren Widerstand entgegensetzen. Alle sind aufgefordert zur Solidarität und direkten Unterstützung der Betroffenen.
Wenn Aktivist*innen gegen das Staudammprojekt Agua Zarca in Honduras ermordet werden, an dem neben dem honduranischen Regime auch eine Tochtergesellschaft der deutschen Firma Siemens beteiligt ist, dann zeigt dies die Verflechtungen von Gewalt und Repression im globalisierten Kapitalismus. Es zeigt aber auch die Notwendigkeiten und Möglichkeiten, politische Kämpfe für Gerechtigkeit und solidarische Verhältnisse zu vernetzen. Auch und im Rahmen der Proteste gegen den kommenden G20 Gipfel im Juli 2017 in Hamburg gilt es, sich solidarisch auf solche Kämpfe zu beziehen.
Streikende Lehrer*innen und Gewerkschafter*innen in Oaxaca, die sich dort im Juni mit Barrikaden gegen schießende Militärs und Polizei für bessere Lebensbedingungen gewehrt haben, und verschwundene Stundent*innen in Mexiko sind ebenso ein Teil dieser globalen Realitäten, wie Hassverbrechen gegen LGBT-Aktivist*innen oder indigene Organisationen in Honduras und anderen Ländern.
Die Illegalisierung von Geflüchteten stoppen
Während diese Formen von Verfolgung und heterosexistischer Gewalt gegen LGBTI* weltweit zunehmen, wird dies als Fluchtgrund nach wie vor nicht anerkannt und Betroffene in Deutschland werden illegalisiert. Sexismus und Hassverbrechen kennen keine Grenzen. Der Protest und Widerstand gegen diese Verhältnisse allerdings auch. Direkte Unterstützung durch Solidaritätsaktionen und Öffentlichkeit ist daher ebenso wichtig, wie der Kampf gegen die Illegalisierung von Geflüchteten und das europäische Grenzregime, und der Widerstand gegen die Ursachen, Zwänge und Normen eines globalisierten Kapitalismus.
Gegen patriarchale und kapitalistische Zustände!
Solidarität mit LGBTI*-Aktivist*innen weltweit!
Für Selbstorganisation und Autonomie: Politische Morde in Honduras und anderswo unmöglich machen!
www.cafe-libertad.de
Hamburg 07.07.2016