Café Libertad Kollektiv in neuer Zusammensetzung
Der Konflikt entstand für alle überraschend im November 2013, als ein langjähriges Mitglied im Rahmen eines Kollektivtreffens seine mündliche Kündigung zum 31. Januar 2014 aussprach. Gleichzeitig wurde von diesem angekündigt, zukünftig an keinen Arbeitsbesprechungen und Plena mehr teilzunehmen, sowie eigene Genossenschaftsanteile und auch Darlehen von anderen Personen an die Genossenschaft Café Libertad von mehr als 100 000.- Euro zum 30.6.2014 kündigen zu lassen. Bereits zwei Wochen später wurde auf eigenen Wunsch und ohne geregelte Arbeitsübergabe der Resturlaub angetreten.
Für das Café Libertad Kollektiv entstand durch die Art und Weise der Kündigung und den aus unserer Sicht unsolidarischen Umgang gegenüber den Kolleg_innen und der Genossenschaft, eine schwierige Situation. Verschärft wurde die Situation durch einen kurzfristigen Liquiditätsengpass aufgrund anstehender Vorauszahlungen für Kooperativen. Zudem wurde das notwendige gegenseitige Vertrauen, welches die Basis und Grundlage der Zusammenarbeit in einem Kollektiv bildet, erschüttert. Darüber hinaus wurde offenbar, dass verschiedene Arbeitsprozesse in der Vergangenheit leider intransparent geblieben sind und sich darüber Hierarchien im Betrieb entwickelt hatten.
Um dieser Situation zu begegnen wurde eine externe Buchhaltung beauftragt und nach neuen Darlehen gesucht. Außerdem wurde eine Diskussion über die Perspektive vom Café Libertad Kollektiv im solidarischen Handel begonnen. Hierbei offenbarten sich unterschiedliche Zielsetzungen im verbleibenden Kollektiv. Während vier der Kollektivmitglieder Café Libertad als politisches, bewegungsnahes Projekt erhalten wollten, sprachen sich zwei der Mitglieder für eine ökonomischere Orientierung aus.
In der Folge entwickelten sich zwei Gruppen, die mit jeweils eigenem Konzept den Betrieb weiterführen wollten. In mehreren Kollektivtreffen wurde daraufhin im Diskussionsprozess festgestellt, dass sich keine Seite mit der jeweils anderen eine weitere Zusammenarbeit und die Aufnahme von neuen Darlehen zur Finanzierung der anstehenden Importe vorstellen konnte. Das Kollektiv-Mitglied, welches bereits gekündigt hatte, erklärte in diesem Verlauf seine vorherige mündliche Kündigung als juristisch nicht bindend und zog diese zurück.
Zur Klärung der inzwischen völlig verfahrenen Situation wurde schließlich eine außerordentliche Vollversammlung der Genossenschaft zum 23.12.2013 einberufen. Dies beinhaltete in der Konsequenz sowohl die Aufnahme neuer Kollektivmitglieder, um den Fortbestand vom Café Libertad Kollektiv zu gewährleisten, als auch die Kündigung einer der Gruppen zur Beilegung des unauflösbaren Konfliktes. Auf der Vollversammlung wurde durch die Mehrheit der Mitglieder die Fortführung von Café Libertad als bewegungsnahes, politisches Kollektiv im solidarischen Handel beschlossen.
Wir halten diesen Umgang für sinnvoll und den einzig richtigen, basisdemokratischen Umgang in einer solchen Konfliktsituation. Das Gegenteil würde bedeuten, das nicht die Mehrheit der Beschäftigten und Genossenschaftsmitglieder, sondern die Mehrheit der aktuellen Kapitalanteile über die Zukunft von kollektiven Betrieben und Genossenschaften entscheiden. Wir bedanken uns bei allen die uns in dieser schwierigen Situation unterstützt und ihre Hilfe zugesagt haben.
Café Libertad ist als Kollektivbetrieb und Genossenschaft nicht an einzelne Personen oder Privatbesitz gebunden und braucht auch kein Führungspersonal. Im Vordergrund steht für uns die politische Idee des solidarischen Handels als Alternative zum kapitalistischen Weltmarkt und die Unterstützung aufständischer, zapatistischer Gemeinden und widerständiger Kooperativen. Die direkte Solidarität mit sozialen Bewegungen und die Entwicklung widerständiger Netzwerke.
Café Libertad Kollektiv ist darüber hinaus kein Unternehmen zugunsten privatwirtschaftlicher Interessen, sondern ein Projekt, das Bestandteil und Ort politischer und sozialer Bewegungen ist.
Mit dieser Perspektive, neuen Mitgliedern und Darlehen, importieren wir in diesem Jahr bisher 7 Container Rohkaffee für ca. 600 000.- Euro aus Chiapas, Costa Rica und Honduras. Außerdem Olivenöl von griechischen Kollektiven zur Förderung selbstbestimmter Arbeit in Zeiten der Krise. Über den Solidaritätsfond Störtebeker unterstützen wir zudem Antifaschist_innen, Protestbewegungen und anarchistische Projekte in vielen Ländern und über den Fördertopf der Frauenkooperativen, feministische und queere Projekte.
Der Konflikt innerhalb des Kollektives war nicht der erste in der 15 jährigen Geschichte von Café Libertad und wird möglicherweise auch nicht der Letzte gewesen sein. Selbstorganisierte Arbeit, insbesondere im Kollektiv, ist innerhalb kapitalistischer Verhältnisse und Zwänge kein widerspruchsfreier oder befreiter Raum, sondern bildet immer auch Herrschaftsverhältnisse ab. Umso wichtiger ist uns Transparenz, ein gemeinsames Bedürfnis nach gleichberechtigten Strukturen, ein selbstkritischer Blick auf sich selbst und ein solidarischer Umgang untereinander, als Basis und Klammer der gemeinsamen Arbeit.
Diese Arbeit führen wir nun in neuer Zusammensetzung weiter und hoffen dabei auf eure Solidarität und Unterstützung im Sinne der beteiligten Kooperativen und widerständigen Gemeinden in Chiapas, der Frauenkooperative Aprolma und weiterer Projekte, die Kaffee für den täglichen Aufstand gegen die vermeintlichen Sachzwänge des Kapitalismus produzieren.
Meldet euch wenn, ihr weitere Fragen oder Anregungen habt. Wir halten euch über die weitere Entwicklung gerne auf dem Laufenden.
Café Libertad Kollektiv