Kleines Reisetagebuch einer Compa von Café Libertad Kollektiv zur Ankunft der Gira Zapatista in Vigo
Bienvenidas Zapatistas
Tag 1 : 13.06.2021 Von Portugal nach Galizien
Nach Vigo, Galizien bin ich über Portugal eingereist. An der Grenze zwischen Portugal und Spanien habe ich erwartet, dass jemand meinen 72-Studen gültigen PCR-Corona Test kontrolliert, aber niemand hat es interessiert. Ich bin in den Bus gestiegen und 30 Minuten später war ich in Vigo.
Vigo ist die größte Stadt in Galizien „mit 350.000 registrierten Einwohnern“, wie die Taxifahrerin mir erklärt. Die alte Dame fährt seit 27 Taxi und hat die guten Zeiten der Stadt miterlebt: „Früher war Vigo eine Industriestadt und es gab viele Arbeitsplätze. Irgendwann kam die Wirtschaftskrise, viele Betriebe machten dicht und nun leben wir, die Vigeses, vom Tourismus“.
Vor Vigo liegen die wunderschönen Inseln Cíes, Illa do Norte und Illa do Faro. Am Tag der Ankunft versuche ich, im Labyrinth von Gassen der Innenstadt meine Unterkunft zu finden.
In der von den Römern gegründeten Stadt wird auch das Escuadrón 421 (Geschwader 421) zwischen 20. und 23. Juni ankommen. Das Escuadron 421 besteht aus 4 Frauen, 2 Männern und einer nicht binären Person. 421 wird auch die "maritime Delegation" genannt, sie ist die erste der zapatistischen Delegationen, die nach Europa kommen werden.
Tag 2: Die Straßen von Vigo
Morgens um 9:00 Uhr, nach einem Cafecito, laufe ich zur Rua Manuel Velazques, wo sich der Treffpunkt für alle Aktivisten*innen, die die Ankunft des Escuadron 421 organisieren, befindet.
Ich treffe dort die Compañer@s, die ich schon seit Monaten virtuell kenne. Wir freuen uns, uns endlich persönlich zu sehen. Javier aus Katalonien erklärt mir den Tagesablauf:
Tägliche Zusammenkunft um 10:00 Uhr.
10:00 bis 12:00 Infotisch-Aktionen in bestimmten Stadtvierteln. Ein mit Lautsprechern bestücktes Auto-Zapatista fährt durch die Straßen von Vigo und Umgebung, um die Ankunft der Zapatistas lautstark bekannt zu machen.
12:00 bis 13:00 zurück zum Treffpunkt. Material ausladen.
14:00 bis 16:30 sind alle Geschäfte, wie in Spanien üblich, wegen der Hitze geschlossen, also Siesta.
16:00 kurzes Treffen: Rückmeldungen der Infotisch-Teams und Verteilung in Gruppen für weitere Aufgaben: Material und Aktionen vorbereiten.
19.00 bis 21:00 Parade durch die Straßen von Vigo mit einer riesigen Puppe, begleitet mit Musik. Flyer verteilen, um die Aktion bekannt zu machen.
Ab 21:00 Material im Treffpunkt ausladen und danach Tapas und Getränke im Zentrum von Vigo.
An diesem Tag beteilige ich mich bei der Infotisch-Aktion in der Innenstadt von Vigo. Es ist ein gut besuchter Abschnitt der Fußgängerzone. Erst sieht es so aus, als ob die Mehrheit des Publikums eher desinteressiert vorbeiläuft, dennoch siegt zwischendurch die Neugier und einige der Empfänger*innen unserer Flyer beginnen zumindest, diese zu lesen.
Zwischendurch gibt es aber auch Interessierte, die nicht nur unsere Flyer annehmen, sondern weitere Fragen stellen und Dinge wie T-Shirts, Kaffee oder Stofftaschen kaufen. Nach 1-2 Stunden zähen Agierens hänge ich zusammen mit einem Compañero unsere Flyer an strategischen Orten auf. Diese Strategie scheint zu funktionieren: die Leute bleiben stehen und lesen.
Nach 2 Stunden in der prallen Sonne kehren wir zum Treffpunkt zurück. Beim anschließenden Treffen erzählt jede Gruppe von ihren Erfahrungen: wie viele T-Shirts wurden verkauft, welche Rückmeldungen der Passant*innen gab es, was können wir für das nächste Mal optimieren?
Nach der Präsentation der anstehenden Aufgaben für den Abend entscheide ich mich zusammen mit Farih aus dem Iran für das Nähen von Cocer Banderas (Flaggen). Ich laufe ca. 15 Minuten zum Centro Cultural, wo schon mindestens 5 weitere Compañer@s am Arbeiten sind: wir messen, schneiden und nähen.
Dort treffe ich auch eine Gruppe von Mexikaner*innen, die bei der Organisation der Ankunft der Zapatisten helfen wollen. Um 22:00 Uhr gehen wir alle nach Hause oder noch was trinken. Morgen sollen die Fahnen fertig werden.
Tag 3: Auf nach Bouzas
Ich habe mich diesmal für eine Infotisch-Aktion außerhalb des Zentrums entschieden, um auch andere Orte von Vigo kennenzulernen. So hat uns eine Compañera aus Vigo mit dem Auto, vollgepackt mit Material, nach Bouzas gebracht.
Fast alle in Vigo lebenden Compañer@s sind alltagsmäßig eingespannt und am Rand ihrer Belastbarkeit, was wohl nicht ganz ohne Konflikte von statten geht.
Bouzas ist ein kleines beschauliches Vorstadtkaff und offensichtlich wohnen hier mehr ältere Menschen als im Zentrum. Der Anfang unserer Aktion gestaltet sich zäh. Wir verteilen Flyer, die älteren Herrschaften wollen zumindest wissen, was hier los ist und einige jüngere fallen gar enthusiastisch über unseren Stand her, probieren unsere Aktions-T-Shirts, kaufen Kaffee und kommen sogar mit weiteren Familienmitgliedern wieder.
Insgesamt ist es in Bouzas wesentlich angenehmer als in der Innenstadt. Gegen 14 Uhr brechen wir die Zelte ab und bewegen uns von der Peripherie wieder ins Zentrum.
Tag 4 Fragend nähen wir voran
Der heftige Regen verhindert, dass wir Infotisch-Aktionen durchführen. Wir bleiben in unserem Treffpunkt und nähen weiter Flaggen mit einer halb-funktionierenden Nähmaschine, bei der man den Rückwärtsgang händisch simulieren muss, um vorwärts zu nähen.
Andere basteln weiter an Bannern und Transparenten.
Nach der Mittagspause arbeitet eine Gruppe am Text für die morgige Pressekonferenz. Einige Compañer@s argumentieren, dass wir neben Argumenten wie Solidarität, Umweltschutz und Antikapitalismus auch die bedrohliche Lage in den zapatistischen autonomen Gemeinden mehr in den Fokus unserer Darstellung rücken müssen.
Über den Umgang mit den Medien gibt es auch unterschiedliche Meinungen: Eine Compañera ist der Meinung, dass wir keine Fragen der Medien aus Vigo beantworten sollten. Die Mehrheit ist aber dagegen.
tbc