Kleines Reistagebuch zu den Vorbereitungen und der Ankunft der Gira Zapatista in Vigo
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Juli - Oktober 2021
Por la Vida - Zapatistische Planetenreise für das Leben
»Der Kampf für die Menschheit ist weltweit. So wie die laufende Zerstörung keinerlei Grenzen, Nationalitäten, Fahnen, Sprachen, Kulturen, Ethnien anerkennt, so ist der Kampf für die Menschheit überall und jederzeit.«
Ein Berg auf hoher See, mit dieser Botschaft gaben die zapatistischen Gemeinden im Oktober 2020 eine Weltreise durch die fünf Kontinente für das Jahr 2021 bekannt! Ziel der mehrmonatigen Reise ist ein direkter Austausch mit sozialen Bewegungen. Sie möchten Aktivist*innen treffen »die die gleichen Sorgen und ähnlichen Kämpfe teilen« und hierzu als Erstes in Richtung der europäischen Länder in See stechen. Nach dem Bereisen verschiedener Winkel des Europa von unten soll am 13. August in Madrid angekommen werden: »der Hauptstadt Spaniens – 500 Jahre nach der angeblichen Eroberung dessen, was heute Mexiko ist.«
Wir freuen uns, den Empfang der Zapatist*innen und Compañer@s in Europa mitorganisieren zu dürfen und wir laden euch alle ein, auf unserer Webseite www.cafe-libertad.de/PorLaVida die News hierzu zu verfolgen, die Idee der Reise aufzugreifen und eigene widerständige Beiträge von unten zu organisieren.
Es wird sich eine mehrheitlich aus Frauen bestehende zapatistische Delegation mit Vertreter*innen des mexikanischen „Rates der indigenen Gemeinden (CNI)“ und der „Front der Bevölkerung zur Verteidigung von Wasser und Land“ auf die Reise machen.
Hierzu wurde eine gemeinsame Erklärung „Por La Vida“ mit einem „Teil des Europa von unten“ verfasst und angekündigt, zahlreiche Treffen, Gespräche zum Austausch von Ideen, Erfahrungen, Analysen und Einschätzungen durchzuführen. Alle „die in den vielen Ecken der Welt rebellieren und widerstehen“ werden darin aufgefordert „sich anzuschließen, beizutragen, zu unterstützen und an den Treffen und Aktivitäten teilzunehmen“, die Erklärung Por La Vida zu unterschreiben und zu ihrer eigenen zu machen:
Aufstand der Würde gegen die Hydra des Kapitalismus
»Es ist nicht möglich, dieses System zu reformieren, zu erziehen, abzumildern, zurechtzufeilen, zu zähmen, zu humanisieren. […] Das Überleben der Menschheit hängt von der Zerstörung des Kapitalismus ab. Wir ergeben uns nicht, wir verkaufen uns nicht – und wir geben nicht nach.«
Die Zapatistas haben sich an Neujahr 1994 mit einem Ya Basta! (Genug ist Genug!) gegen über 500 Jahre Kolonialismus, Diskriminierung, Rassismus, Armut und Ausbeutung gestellt und einen Aufstand der Würde im südmexikanischen Hochland begonnen. In der Region war die Lebensgrundlage vieler Kleinbäuer*innen durch den Verfall des Weltmarktpreises für Kaffee und weitere Folgen des globalen Kapitalismus bedroht.
Es folgten Bombardierungen durch die mexikanischen Streitkräfte, bei denen 300 Menschen starben. Durch breite Proteste und Großdemonstrationen konnten diese gestoppt und ein Friedensabkommen erreicht werden, welches die nie umgesetzten Agrarreformen im Zuge der mexikanischen Revolution, das nie eingelöste Versprechen von Land und Freiheit, beinhaltete. Doch der Vertrag war, wie sich so oft als kollektive Erfahrung der indigenen Geschichte gezeigt hat, das Papier nicht wert. An die Bedingungen haben sich die mexikanischen Regierungen bis heute nicht gehalten und stattdessen einen Krieg niedriger Intensität gegen die autonomen zapatistischen Gemeinden begonnen.
Dieser Krieg wird bis heute geführt, indem Wasserleitungen, Mais- und Kaffeefelder zerstört werden. Er besteht darin, eine systematische Militarisierung herbeizuführen, bewaffnete Angriffe und Landraub durch Paramilitärs zu fördern oder zerstörerische Großprojekte, wie aktuell die Zugstrecke TrenMaya zur Erschließung der Yucatan-Halbinsel, unter Kontrolle des Militärs durchzusetzen.
La Autonomia es la vida
»Nicht der Anspruch, unseren Blick, unsere Schritte, unsere Begleitungen, Wege und Ziele aufzuzwingen, erlaubt es uns voranzuschreiten, sondern das Hören und Sehen des Anderen, welches – verschieden und unterschiedlich – dieselbe Bestimmung zu Freiheit und Gerechtigkeit hat.«
Trotz dieser Angriffe durchbrechen die Zapatistas jeden Tag aufs Neue die Belagerung und haben in ihren autonomen Gemeinden ein eigenes Bildungs- und Gesundheitssystem geschaffen, eine widerständige Ökonomie entwickelt und eigene zivile Verwaltungsstrukturen durch Versammlungen und Caracoles geschaffen. Sie haben intergalaktische und internationale Treffen wie CompArte (um die Kunst zu teilen), ConCiencia (um die Wissenschaft zu teilen), internationale Treffen kämpfender Frauen, Lesben, Intersexueller und Transgender sowie indigene Räte und Vernetzungstreffen ins Leben gerufen.
Die Zapatist*innen und ihre Idee einer Welt, in die viele Welten passen, hatte großen Einfluss auf die Entstehung der globalisierungskritischen Bewegungen. Sie haben der Welt gezeigt, wie sie den Politiker*innen nicht mehr vertrauen und in ihren Gemeinden gegen die neoliberale Politik der mexikanischen Regierungen kämpfen und sich selbst organisieren: »Und dann kam uns der Gedanke, dass es an der Zeit ist, dass wir Zapatist*innen dem Gehör, dem Wort und der Präsenz dieser Welten entsprechen.«
Die Nahen und Fernen der Geographie - Los Zapatistas No están solos!
»Die Gleichheit der Menschheit liegt in der Respektierung der Differenz. In ihrer Diversität liegt ihre Ähnlichkeit.«
Die Weltreise kann im Sommer wichtige Impulse liefern, wie sich soziale Bewegungen künftig aufstellen und welche gesellschaftlichen Blickwinkel und Perspektiven wir entwickeln. Die autonomen zapatistischen Gemeinden haben sich zu einem frühen Zeitpunkt für Prävention und die Anwendung von Hygiene-Maßnahmen entschieden »welche zu jenem Zeitpunkt mit Wissenschaftler*innen, die uns informierten und ohne Zögern ihre Hilfe anboten, abgesprochen wurden«.
Sie beschreiben in der Ankündigung der Reise auch ihre Erfahrungen in der Pandemie und stellen fest: »Die Pandemie COVID 19 zeigte nicht nur die Verletzlichkeit des Menschen, sondern auch die Gier und Dummheit der unterschiedlichen nationalen Regierungen und deren angeblichen Oppositionen. […] Und jetzt möchte das große Kapital auf der ganzen Welt, dass alle auf die Straßen zurückkehren, damit die Menschen wieder ihre Rolle als Konsument*innen einnehmen. Denn die Probleme des Marktes machen ihm Sorgen: die Lethargie beim Konsum der Waren. Ja, die Straßen müssen zurückerobert werden, aber um zu kämpfen. Denn wie wir bereits früher sagten, das Leben, der Kampf um das Leben, ist keine individuelle Angelegenheit, sondern eine kollektive. Jetzt zeigt sich, dass es auch keine Angelegenheit von Nationalitäten ist, sondern die ganze Welt umfasst.«
Por un mundo donde quepan muchos mundos!
Für eine Welt, in die viele Welten passen!
Café Libertad Kollektiv Januar 2021
www.cafe-libertad.de/PorLaVida
Zitate & Quellen: http://enlacezapatista.ezln.org.mx
Illustration: Eva Müller
Infos zu #LaGiraZapatistaVa
https://enlacezapatista.ezln.org.mx
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NEWS UND LINKS
Gemeinsame Erklärungen der Zapatistas und eines Teils des Europa von unten zur Planetenreise
Teil I. Eine Erklärung... Für das Leben
Teil IV. Erinnerung an das, was kommen wird